Downtown Traffic | |
Alex "Sal" Luerken <s.a.l.@usa.net> | https://members.tripod.com/~Barogue)posted 12.12.97 |
Die S-Bahn fuhr los und ich sah mir mit raschen Blicken die Leute in der Bahn an. Zum großen
Teil gehörten sie der Gattung der fleißigen Arbeiter an, denen der saure Regen, der draußen in
dicken Bindfäden vom Himmel fiel, genau so zugesetzt hatte wie mir. Sie beachteten mich nicht
und ließen ihre Blicke mal hier, mal dorthin wandern nur um den Eindruck zu erwecken an
irgendwelchen anderen Dingen interessiert zu sein, als an mir oder den anderen Fahrgästen.
Mein Vorteil dachte ich mir und wischte mir einen Tropfen aus dem Gesicht, der sich seinen
Weg durch meine triefenden Haare gefunden hatte.
Sie würden nicht wissen, geschweige denn ahnen, was ihn mir vorging. Wie auch. Sie waren
nicht auf die Arbeit angewiesen, die ich so sehr haßte, daß ich den Tag immer wieder verfluche
als alles begann. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist nicht meine Berufung. Es ist einfach
eine Art von Arbeit wie, na, zum Beispiel Brötchen backen oder wie ein Schreibtischjob. Es gibt
Leute, die mich dafür bezahlen, genauso wie jede dieser Drohnen dafür bezahlt wird. Also, wo
ist das Problem ? Sehen Sie, es gibt keines. Es ist lediglich so, daß nicht jeder diese Art von
Arbeit ausführen kann. Nicht jeder hat die Voraussetzungen, nicht jeder den Mut. Doch ich bin
einer der wenigen und habe die harte Ausbildung bestanden. Ich bin gestählt, stark gemacht,
trainiert, um diesen Job zu erledigen. Ich. Ja, genau ich. Die Bahn fuhr eine scharfe Kurve, so
daß eine der Drohne mit seinem nassen Mantel meine Hand berührte. Widerlich. Das sich
Menschen so gehen lassen. Aber auch er, der sein Hemd und seinen Anzug schon abends
zurecht legt, damit ihm morgens nichts mehr passieren kann, dessen Leben geplant ist, bis ins
letzte Detail. Auch er ahnt nichts.
Ich schaue auf meine Uhr. Eine goldene Swatch. Kein billiges Imitat und echt Gold. Wer meinen
Job durchführt, der kann sich diesen Luxus leisten. Ich habe auch ein großes Luxusapartment
mit der modernsten Ausstattung, die es auf dem Markt gibt. Alles High-Tech. Ich sage, es wird
Licht und es wird Licht. Ich sage, ich will Kaffee und ich bekomme brühwarmen, echten
Bohnenkaffee. Die Fahrt dauert 4 Minuten und 23 Sekunden und laut meiner Uhr sind davon
schon 3 Minuten und 43 Sekunden verstrichen. Noch 40 plusminus 5 Sekunden und die Türen
des Waggons werden sich öffnen und ein Strom von Drohnen wird den Zug verlassen und eine
weiterer wird ihn besteigen. Sie werden rempeln, stoßen, fluchen.
Noch 27 Sekunden. Das Warten, meinen viele, ist das Schlimmste. Mir gefällt das Warten. Es
ist wie eine Sinfonie. Die Ruhe vor dem Sturm. Ich spüre die Streicher, wie sie langsam das
Tempo steigern, wie die Paukenspieler ihre Schlegel in die Hand nehmen, die Becken
vibrieren und werden in wenigen Sekunden aneinanderkrachen.
Noch 19 Sekunden.
Ich stehe auf. Mein Mantel klebt aufgrund der Nässe etwas an den Plastiksitzen fest. Der
Paukenspieler holt aus. Ich sehe sie. Sie hat keine Ahnung, nicht einmal, daß ich seit zwei
Tagen, wie ein Schatten an ihr klebe. Der Zug beginnt in die Haltestelle einzufahren. Ich ziehe
meine Guardian. Sofort schüttelt sich die Elektronik in der Waffe mit der in meinem Körper
fröhlich die Hände. Die Schlegel rasen auf die Felle der Pauke zu. Ich drücke dreimal ab.
Zweimal in den Brustkorb. Sie wird von ihrem Sitz gerissen und ihr feines Chanel - Kostüm
tränkt sich blutrot. Zunächst nur um die Einschußlöcher herum, dann immer schneller, als ihr
schon fast toter Körper mehr und mehr rote Flüssigkeit in Richtung der neuen Öffnungen in
ihrem Körper pumpt. Der dritte Schuß trifft ihren Hals knapp unterhalb des Kinns. Ihr Gesicht
klappt nach hinten, da ein gutes Stück der tragenden Halsmuskulatur hinter ihr die Wand
herunterrutscht nicht mehr an der richtigen Stelle weilt. Sie versucht noch ihre schlanken Finger
auf die Wunden zu pressen. Ihr Blick erfüllt mit der Gewißheit, daß ihr Körper bereits mehr Blut
in die falsche Richtung pumpt, als gut und gesund für sie wäre.
Die Türen öffnen sich und erst jetzt nehme ich die Schreie wahr, die rings um mich herum nicht
stoppen wollen. Die Becken krachen aufeinander und ich höre laut und deutlich den Tusch, die
Fanfare ertönt. Eine Biene landet auf meinem Nacken und ich muß sie wohl verschreckt haben,
da sie sofort zusticht. Meine Beine geben nach und mein Blickfeld zerplatzt in schillerndem
Weiß. So grell, daß ich versuche die Augen zu schließen. Eine Schaukel, die in sanften
Bewegung hin und herschwingt und ein kleiner Junge, der zu seiner Mutter rennt. Ich höre mich
wimmern "Mama, Mama, mich hat eine Biene gestochen" und lande mit dem Gesicht auf dem
Bahnsteig. Die schwere Pistole rutscht aus meiner Hand und ich nehme noch wahr, wie der
kleine Chip in meiner linken Schläfe unter dem Gewicht und der Wucht des Aufpralls meines
Körpers zusammengeknickt wird und in der Mitte durchbricht.