"Hey, Mann. Ich bin so ein eisenharter Straßensamurai mit Kanonen und ‘ner Menge Cyberware. Und ich bin schnell und wenn Du Dich mit mir anlegen tust, ich sag’ Dir ich hab’ Dich gewarnt."

So, oder ähnlich werden einige Spieler nur allzu oft und allzu gerne beschreiben. Für den Straßensamurai können beliebige andere typische Archetypen eingesetzt werden, seinen es Magier oder Schamanen, die sich selber als finstere, harte Magier bezeichnen oder Decker, die jedes IC meinen, wegpusten zu können.

Diese Art von Definition bzw. Beschreibung eines Charakters, der meiner unwichtigen Meinung nach, mehr als ein paar Zahlen auf einem bedruckten Stück Papier sein sollte, ähnelt extrem derjenigen, die Aliens in irgendeinem Film hatten (ich erinnere beim besten Willen nicht, in welchem Film das war). Sie bezeichneten in jenem Machwerk, uns, die ach so zivilisierte Menschheit, als einen Haufen von mit Wasser gefüllten Säcken. Gefüllte Säcke mit Wasser. Ziemlich nette Definition. Gut, was hat das ganze mit meiner weiter oben erwähnten Moserei zu tun.

Sie hätten für das feine Substantiv "SÄCKE" auch andere Bezeichnungen für einen sackähnlichen Gegenstand wählen können, und hier stimmt der Vergleich langsam schon wieder. Nichts anderes tun Spieler, die ihren Charakter in oben beschriebener Manier zu einem mit Wasser gefülltem Sack degradieren. Ich für meinen Teil möchte nicht gerne, als alter Wassersack beschrieben werden. Ich glaube, da hat jeder von uns ein paar andere, wesentlich wichtigere und ausschlaggebendere Attribute und Fähigkeiten, die jeden als Person und als Mensch definieren.

Trotzdem enden viele, erfahrene, geliebte, verehrte und tote Shadowruncharaktere mit dem Gesicht nach unten in einer stinkenden Pfütze in einer ebenso stinkenden Seitengasse und ihr Blut vermengt sich langsam mit dem vom strömenden Regen gebildeten Wasserpfützen. Und. Keiner wird ihnen eine Träne nachweinen. Wie sie ins Leben gekommen sind, so gehen sie auch wieder. Farblos, fade, lediglich einen modrigen Nachgeschmack zurücklassend. Doch ein Charakter, der wirklich in der Shadowrunwelt gelebt hat, ich meine einen Charakter der real Charakter besaß, der wird noch lange in Erinnerung bleiben. Vielleicht vermengen sich sogar ein paar Tränen mit dem strömenden Regen.

Ein weiterer wichtiger von Spielern gerne übersehene Punkt ist, was kann ich als Meister dem Spieler und seinem Charakter Gutes tun, wie kann ich ihn fordern und fördern, ihm einen kleinen Teil der Welt nach seinen Vorlieben gestalten, wenn ich nicht weiter weiß, als daß er ein eisenharter Kerl ist und Otto Normalrunner heißt. Sicherlich schon kleine Einzelheiten, wie z.B., daß der Charakter ein Elf ist, kann man als Meister ausnutzen und ihn mit einer Bande wütender Trolle konfrontieren, doch irgendwann wird jede Bande wütender Trolle ganz einfach langweilig.
Je mehr ich, als Meister, über den Charakter weiß, desto besser kann ich ihn in meine Kampagnen integrieren, kann die Gegenpartei anhand seiner Fähigkeiten und der des Teams abwägen. Resultierend leben Charakter mit einer interessanten Hintergrundgeschichte in einer wesentlicher attraktiveren, besseren, spannenderen Welt als ein schnöden Otto Normalrunner.
Bleibt die Frage, wie ausgearbeitet soll so eine Hintergrundgeschichte denn sein. Ich, für meinen Teil, würde der Phantasie eines Spielers nie Grenzen setzen. Wenn er diese oder das erlebt haben möchte, nur zu, er wird schon sehen, was ich daraus drehen werden. Alles hat Folgen, wie wir wunderbar in der Realität sehen können, also wird auch alles, was der Charakter erlebt hat, ihn irgendwie beeinflussen, verändern und seine Sichtweise prägen.
Selbstverständlich gibt es gewisse Grenzen, da ein zweiter Richard Villiers sehr wenig zur Ausgeglichenheit einer Kampagne beitragen kann, ebenso wie Söhne extrem reicher Konzernexecs, die von Vati alles bekommen können. Es sollte dann doch im Rahmen bleiben und nicht zu Charakteren, zwar mit Hintergrundgeschichte, dafür aber mit zuviel Einfluß zu Spielbeginn führen.