Scheiße in der Klosschüssel | |
Alex "Sal" Luerken <s.a.l.@gmx.net> | https://members.tripod.com/~Barogue)posted 07.08.98 |
Es begab sich ein sehr seltener und daher auch geschätzter Moment. Ich, in der Rolle eines Spielercharakters unter der Fuchtel eines Spielleiters. Ein wahrlich seltener Moment, da ich nun einmal, zumindest bei Shadowrun, dazu verdammt bin auf der Seite des Meisterschirms zu sitzen, wo all die nutzlosen Tabellen aufgedruckt sind und ich mich jedesmal frage, wann ich mir endlich meinen eigenen Schirm mit den Dingen darauf mache, die ich wirklich brauche.
Nun, ich habe meinen eigenen Stil zu meistern und daher bin ich mit auf meinem Spielstil geprägten Erwartungen und Vorstellungen an die ganze Sache herangegangen. (Übrigens, Stoffel, wenn Du dies hier liest, es hat trotzdem Spaß gemacht, selbst wenn ich die Idee mit der Glocke etwas albern fand).
Die Geschichte des Abends ist schnell und kurz erzählt. Mein Mafiosi traf sich mit drei anderen Personen in einer Bar, wo flux der Auftrag an Land gezogen wurde, nachdem unseren Vorgängern eine Zukunft in einer lauschigen Seitengasse beschert wurde.
Wir sollten ein Artefakt aus Amazonien beschaffen, Flug und Fallschirmsprung inklusive. Die Koffer waren schnell gepackt, ebenso flink fand sich mein Anzugtyp im Dschungel wieder, von Downtime bis dahin keine Spur. Um es kurz zu machen, wir besorgten unter großen Mühen, wobei mein Charakter beinahe ein massives Erdbeben ausgelöst hätte, das Artefakt und kehrten zurück nach Seattle.
Punkt.
Eigentlich fehlte für mich bei diesem Abend, daß worauf ich eigentlich am meisten Wert lege.
Downtime oder wie ich ein Klo ohne Toilettenpapier benutzte.
Was gibt es schöneres, als einen halben, wenn nicht den ganzen Abend, damit zu verplempern, Waffen und Ausrüstung zu kaufen, in einer Bar ab zu hocken oder sich einen Film reinzuziehen?
Shadowrun sollte natürlich Shadowruns enthalten, ansonsten würde das Spiel wohl auch eher Downtime heißen, aber wo bleibt der Realismus und der Spaß, wenn die Spieler von einem Auftrag zum nächsten hetzen, zwischendurch sich mal kurz die neuesten Spielzeuge in ihre Wunderkörper einbauen lassen, die Stufe 200 Foki binden und ihr MPCP 30 Deck bauen oder ihre Wunden auskurieren?
Irgendwann muß jeder mal aufs Klo, und bei einem Pensum von "ein-Run-jagt-den-nächsten" bleibt dafür wohl keine Zeit, da hilft nur die Arschbacken zusammenkneifen.
Aus jedem Ereignis neben den Runs läßt sich, wenn man mit seiner Phantasie als Spielleiter etwas in höheren Bahnen kreist, wunderbare kleine Geschichten in einer großen Geschichte (oftmals sogar Kampagne genannt) spinnen. Shadowrunner sollten mit den selben Problemen zu kämpfen haben, wie jeder von uns heutzutage. Seien es Blasen an den Füßen, kein Klopapier mehr, nachdem man die Schüssel beschwert hat oder auch schimmeliges Brot als einziges Lebensmittel, wenn die Geschäfte schon zu haben.
Downtime bietet an Vielfalt an Möglichkeiten, das was sich in der Vergangenheit ereignet hat oder in der Zukunft passieren wird zu beeinflussen. Man trifft Vorbereitungen, um der Rache des geprellten Opfers des letzten Runs zu entgehen oder beschafft sich neue Ausrüstung, um für den nächsten Run endlich mal nicht mit der falschen Ausrüstung loszuziehen oder sich gar auf die Mittel verlassen zu müssen, die einem der Johnson zur Verfügung stellt. Sehr gut lassen sich eigene oder neue Ziele planen; ein Umweltaktivist wird sicherlich gerne den Konzernen auf die Füße treten wollen, wenn er die Möglichkeit dazu hat. Wozu braucht er zwangsläufig einen Auftraggeber, um Sabotageakte auszuführen. Ebensogut kann man versuchen Beute, die einem beim letzten oder vorletzten Run durch Zufall in die Hände gefallen ist, verschachern.
Ein geringer Ausgleich für die erlittenen Strapazen.
Downtime sollte auch dafür da sein, einfach mal die Seele baumeln zu lassen und seinen Gewohnheiten nachzugehen. Schließlich hat man sich, sofern man das Kompendium sein eigen nennen kann, ein paar Punkte für Gaben und Handicaps erhalten, die kaum genutzt oder rollenspielerisch dargestellt werden während eines Runs. Jemand mit einem festen Job muß schon etwas mehr leisten und ertragen, als mal kurz nebenbei zu bemerken, daß er bei der Arbeit war.
Neue Gaben und Handicaps, Eigenarten, Spleens, Abneigungen und Charakterzüge lassen sich am besten in dieser nichtigen Zeit, wo kein klingendes Geld in die Kassen wandert, entwickeln.
Es entsteht der Feinschliff, um aus den rohen Zahlen auf dem Zettel mit der hübschen Überschrift "Charakterdatenblatt" einen kleinen Diamanten zu machen, der mit seinen zahlreichen Facetten ein wenig Glanz in die farblose Welt der Archetypen bringt , denen nichts besseres einfällt als "STRASSENSAMURAI eben, echt hart, voll brutal und kann nichts erschrecken". Diese Art von Archetypen gibt es leider viel zu häufig.
Vielleicht mangelnde Downtime ?!?!
Jeder braucht mal eine Pause, niemand von uns würde gerne auf sein geliebtes Wochenende oder seinen Urlaub verzichten, weil Arbeiten ja so einen Spaß macht. Schattenlaufen ist die Arbeit für Shadowrunner und auch Shadowrunner brauchen einmal ein wenig Urlaub, um auf der faulen Haut in der Sonne zu liegen oder
...............................um aufs Klo zu gehen.
Stay tuned, Dakota.