Was es bedeutet zu morden ? | |
Alex "Sal" Luerken <s.a.l.@gmx.net> | https://members.tripod.com/~Barogue)posted 06.03.98 |
Oder:
Ich blas' ihn weg !!
In fast jedem Rollenspiel werden früher oder später einmal menschliche Wesen, Tiere oder anderen Gattungen zuzuordnende Gestalten das Antlitz der schnöden Rollenspielwelt mehr oder minder unfreiwillig, unter der Einwirkung einer anderen Partei verlassen. Nichts mehr. Vorbei.
Das, was einst lebte und blühte, anderen Freude oder gar Leid bereitete, ist getilgt, für immer, nichts wird passieren, zumindest nicht ohne göttlichen Beistand oder ein schnelles Eingreifen eines DocWagon HTR Teams, daß das Wesen (ich nenne es mal Wesen, der Einfachheit halber) wieder zurück in die Welt der Lebenden zurückholen kann.
Ich habe in einem anderen Artikel (Flatline) bereits einiges zum Thema verstorbener Spielercharaktere bzw. über das Ableben befreundeter NSC’s gesagt, jedoch ist dabei die Frage geblieben, was es eigentlich für denjenigen bedeutet, der das Leben nimmt.
Ich möchte keine religiösen Diskussionen anregen, noch auf irgendeine Art und Weise anfangen zu predigen, aber es handelt sich, meiner Meinung nach, um einen kleinen Aspekt, der die Rollenspielwelt mal wieder ein bißchen farbiger macht und ihr ebenso ein wenig mehr Realismus einhaucht.
Ich denke mal, nicht viele haben schon irgendwelche blutroten Flecken auf der weißen Weste in Form von Leichen im Keller (ich denke bzw. hoffe niemand, der diese Zeilen liest, befindet sich in so einer Position, und auch ich habe noch niemanden auf dem Gewissen), insofern ist es schwer sich in die Lage hineinzuversetzen oder sie gar in sein Rollenspiel mit einzubinden. Jeder kennt Emotionen, wie Wut, Angst oder Freude und Haß, aber das Gefühl jemanden auf dem Gewissen zu haben, ist bestimmt ein anderes. Ein Gefühl, das man nicht sehr leicht aus seinen Gedächtnis streichen kann, für die wenigsten wird es wohl zur Routine werden, und kaum einer wird sich daran gewöhnen oder sogar Gefallen daran finden. Zumindest kennt er dann den Weg zur Anstalt aus der er gerade geflohen ist.
Man überlege sich einmal, daß die Person, die gerade noch in einer Gasse vor einem stand, vor zwei Minuten noch gesprochen hat, geatmet hat und vielleicht versucht hat einem, den Credstick aus den Rippen zu leiern. Und diese Person liegt jetzt zwei Minuten später unwiderruflich tot auf der Straße und ein kleines Rinnsal dunkelroten Blutes sickert langsam in den Abfluß. Ich möchte niemals in einer derartigen Situation stecken. Jemand stirbt durch meine eigenen Händen. Nein, danke.
Diese Situation taucht mehr oder minder häufig, wie bereits oben erwähnt, in fast jedem Rollenspiel auf. Sei es der Oberbösewicht, den man bereits seit zwei Jahren verfolgt und endlich zur Strecke gebracht hat, oder sei es ein mieser Gossenpunk, den man aus Versehen weggepustet hat, da die geboosteten Reflexe mal wieder schneller waren, als das Gehirn. Oder wie steht es mit dem Konzerngardisten, der verblutend im Korridor eines Forschungslabors liegt, und dessen Kinder in wenigen Augenblicken keinen Vater mehr haben werden. Wie steht es mit solchen "gängigen" Toten in Rollenspielen.
Natürlich gibt es auch noch diese harten Kerle, die jeden für ein paar Nuyen um die Ecke bringen und danach ihre Soyburger essen, eine weitverbreitete Gattung im unfairen Sprawl. Nicht zu vergessen, daß dies durchaus eine Richtung sein kann, die ein Charakter als seinen idealen Lebensweg wählen könnte, aber muß das immer so sein ?
Als Mensch, aus der Realität betrachtet, könnte ich solche Vorgehensweisen auf keinen Fall billigen, würde sie vielmehr aufs Schärfste verurteilen, wie jeder andere auch. Selbst der Täter zu sein, würde mich in tiefste Depressionen und Schuldgefühle stürzen, selbst, wenn der Oberbösewicht mich seit zwei Jahren terrorisiert hätte, könnte ich keine Genugtuung empfinden mit der rauchende Pistole über seinem toten Körper zu stehen und seinen Lebenssaft, aus ihm herausfließen zu sehen. Man tötet niemanden und geht zur Tagesordnung über. Vielleicht bin ich ja verweichlicht, aber dies ist nun mal meine Meinung und meine Homepage.
Also, warum vergessen so viele Spieler und ihre Charaktere diese Aspekte oder bevorzugen ihren Weg mit Leichen zu pflastern? Ich habe zumindest noch keinen Lebenslauf oder eine Charakterbeschreibung gelesen, die ein derartiges Verhalten auch nur im Ansatz rechtfertigen würde. Gut, der Aspekt eines jeden Shadowrunners ist, schneller zu sein als sein Gegenspieler, aber reicht es nicht aus, ihm ein paar mit der Narcoject zu verabreichen oder dem nichtsahnenden Wachmann eins über den Schädel zu ziehen?
Was man sät, das erntet man! Konzerngardisten, Wachmänner, Cops und Sicherheitsbeamte werden weitaus ziviler versuchen einen Charakter dingfest zu machen, wenn sie wissen, daß er nicht gerade 10 ihrer Kollegen für die Organbank verpackt hat.
Die Scham 17 Kinder zu Waisen gemacht zu haben für ein paar Tausend NUYEN. Wie fühlt sich der, ach so harte, Straßensamurai, nachdem er bei seinem Durchmarsch durch die geheime Forschungseinrichtung, zwanzig Familien zerstört hat, ca. 30 Kindern den Vater genommen und etwa 15 Frauen zu Witwen gemacht hat. "He, laß uns feiern. Und gib mir noch ein Soybier". Ich glaube kaum.
Sicherlich mit der Zeit stumpft man ab, wenn einem täglich die gleichen Dinge als ewige Konfrontation vor Augen schweben und man verdrängt die schrecklichen Gedanken und die Schuld in tiefe Schubladen ganz weit hinten im großen Erinnnerungsschrank. Bis sie mal wieder bei der nächsten Gelegenheit zu Vorschein kommen.
Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal die Explosivmuni einpackt und euch die Panther auf den Rücken schnallt.