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Alex "Sal" Luerken <s.a.l.@usa.net> https://members.tripod.com/~Barogue)posted 29.07.98

Kapitel 5

Lisa sah diesen Kerl an, der sie aus dem Foyer des Hotels gezogen, in sein Auto geschliffen und dann mit ihr in die Barrens gefahren war. "In die Barrens!", dachte sie. "Wie soll ich von hier bloß wieder nach Hause kommen." Sie hatte Angst, zwar nicht so extrem wie im Hotel, aber trotzdem machte ihr dieser Mann Angst. Er war anders als alle anderen Männer, die ihr in ihrem Leben begegnet waren. So animalisch. So brutal. Doch irgendwie war er ihr doch sympathisch. Er war in etwa so groß wie sie, vielleicht einen Meter 80 groß, jedoch von der Statur her breit und muskulös. Erst jetzt fielen ihr seine Augen auf, die sie kalt anstarrten. Cyberaugen, die unentwegt ihr direkt ins Gesicht blickten. Der Blick fröstelte sie, machte ihr bewußt, wo sie sich befand, in welcher mißlichen Lage sie war.
"Nun, was war dort los?", fragte er wieder. In seiner Art und Weise klang seine Frage fast besorgt, aber sie wußte, daß er kein weiteres Schweigen akzeptieren würde.
"Da war ein Mann in meinem, in unserem Zimmer", begann sie. "Er hat Jerry umgebracht, verstehen Sie, er hat ihn einfach umgebracht und er wollte mich auch töten. Er war groß und ....und..."
"Moment mal, sie meinen er Jerry Packers umgebracht?" Conner sah seine Nuyen wie altes Laub den Bach hinunterließen. Den Auftrag konnte er getrost in die Schublade mit dem Etikett "Erledigt und vermasselt" stecken.
Sein Blick wankte eine Millisekunde lang, doch dann war da nur noch das Kalte seiner Augen, daß sie anstarrte.
"Ich war im Badezimmer und plötzlich stand er hinter mir. Es war kalt und er war kalt und auch, wenn sie mich jetzt für verrückt halten", stammelte sie weiter. "Aber er hatte lange Eckzähne, wie ein Vampir, sie wissen schon, wie eines dieser Viecher aus dem Trid, die Blut saugen."
"Beruhigen sie sich doch erstmal und fangen sie noch mal von der Stelle aus an, daß Jerry umgebracht wurde" erwiderte er, um ihren kurzen, hysterischen Redefluß zu stoppen und in die richtigen Bahnen zu lenken.
Lisa schaute ihn an. Warum wollte er ihr nicht glauben? Sie hatte den Vampir mit ihren eigenen Augen gesehen. Er hatte kein Spiegelbild, er hatte lange Zähne. Er mußte ein Vampir sein. "Verdammt, Lisa", sagte sie zu sich selber. "Da hast du dich mal wieder schön ins Abseits geschoben. Sitzt mit einem fremden Kerl in einem Auto mitten in der übelsten Gegend von Seattle und mußt diesem Mann erzählen, daß dein Verlobten von einem gottverdammten Vampir gerade eben ausgesaugt wurde. Und zu allem Überfluß wollte dich der Vampir ebenfalls auspumpen. Fein. Hast du gut gemacht."
Sie versuchte es noch einmal mit der gleichen Geschichte, aber trotzdem schien er ihr nicht zu glauben, als sie das zweite Mal bei dem Vampir angelangt war.
"Wir fahren jetzt zu einem Freund von mir. Sie müssen keine Angst haben. Weder ich noch er werden ihnen irgend etwas tun. In gewisser Weise haben sie etwas mit Jerry Packers zu tun, und ich muß unbedingt wissen, was sie mit ihm zu tun haben", beendete er ihre Geschichte und startete den Wagen.

Sie fuhren weiter. Seine Gedanken versuchten aus ihrer Geschichte das hysterische Element heraus zu filtern, die kleinen Brocken Wahrheit von dem zu trennen, was sie möglicherweise hinzu gesponnen hat. Wahrscheinlich nicht aus Absicht, dafür schien sie viel zu verzweifelt, zu nahe am schmalen Grad zur völligen Hysterie.
Dick hatte ihm einmal von einem Vampir erzählt, der seine Familie ausgelöscht haben sollte, aber was sollte man schon einem durchgeknallten Penner glauben, der jedem seine Lebensgeschichte erzählt, der ein paar Nuyen für einen Kaf und einen Burger springen lassen kann.
"Ich werde sie erst einmal bei Dakota abliefern, soll der sich doch mit ihr herumärgern", dachte Conner, als er den Wagen vor einem mit Graffiti beschmierten Garagentor den wagen am Straßenrand parkte.

"Kommen Sie", bellte er sie an, packte ihren Arm und zog sie aus dem Wagen, nachdem er fast eine Minute auf ihr Aussteigen gewartet hatte. Sie starrte ihn mit der gleichen Furcht in den Augen an, die sie bereits bei ihrer ersten Begegnung im Hotel gezeigt hatte.
"Hier wohnt 'n Freund von mir, da könn' se 'ne Zeit unterkommen. Ich wird' mich derweil mal ein bißchen umhören." Mit diesen Worten klopfte er an die Tür neben dem Garagentor. Eine knappe Minute später öffnete Dakota. Das Entsetzten in ihrem Gesicht schien noch einen Grad zu wachsen, als sie Conner's langjährigen Chummer sah. Ihr Blick wich sekundenlang nicht von dem glänzenden Chrom seines rechten Arms. Verängstigt wich sie einen Schritt zurück, um von Conner durch die tür geschoben zu werden.
"Hi, Con. Wo hast du die hübsche Lady aufgegabelt. Ist eigentlich nicht dein Stil Frauen vor meine Tür zu stellen und wieder die Biege zu machen", begrüßte der Hüne mit den langen braunen Haaren Conner freundlich.
"Weißt Du, Dak, die Lady hat ein kleines Problem...nu...ihr Freund liegt blutleer in einem der besten Hotels der Stadt und ich dachte mir, wenn ich schon ma' da bin, nehm' ich einfach mit nach Hause....und....bei mir ist.....", versuchte Conner eine möglichst plausible Entschuldigung für seinen Besuch zu erwidern.
"....bei dir ist nicht aufgeräumt. Ich weiß. Aber wie lange soll die gute Frau hier bei mir unterkommen, he."
"'Nen paar Stunden würden reichen. Sagen wir in vier Stunden bin ich wieder da. Bis dann müßt' ich genug herausbekommen habe, um irgendwas auf die Beine zu stellen. Bis denn", sagte Conner und stieg in seinen Wagen ein, um jede Widerworte von vornherein abzuschmettern.

Verdutzt blieben Dakota und die immer noch verstört auf einen glänzenden Arm starrende Lisa zurück.